Projekt A ist der Titel einer Dokumentation, die verschiedenste Projekte in Europa besucht. Manche bezeichnensich selbst als explizit anarchistisch, andere tun dies – obgleich ihrer anarchistischen Organisation, Methodik und Zielsetzung – nicht. Gemein ist ihnen allen der Wunsch nach einer anderen, einer neuen Gesellschaft, unterschiedlich sind ihre Herangehensweisen. Im Folgenden findet ihr ein Interview mit Moritz, einem der Regisseure.
cln: Hallo Moritz, stell dich doch einfach kurz vor, erzähl ein paar Sachen über dich. Wie bist du denn jetzt überhaupt zu diesem Projekt und zum Anarchismus gekommen? Es ist ja ein anarchistisches Projekt, über das wir jetzt reden.
Moritz/Projekt A: Ich bin Moritz, einer der Regisseure von „Projekt A – ein Reise zu anarchistischen Projekten in Europa“ und wir arbeiten inzwischen schon über 4 Jahre an diesem Projekt. Die Idee entstand eigentlich 2008, als ich Horst Stowasser kennengelernt habe, während er auf einem Kongress für partizipative Demokratie über seine anarchistische Ideen erzählte. Ich komme schon aus einer politischen Ecke, meine Eltern waren politisch unterwegs und ich wurde in meiner Jugendzeit in München im Punk sozialisiert. Stowasser hat mir dann erstmals die anarchistischen Theorie näher gebracht und ich habe festgestellt, dass darin viele Sachen stecken, die einige der brennenden Fragen unserer Zeit beantworten. Ich denke, dass das anarchistische Gedankenkonzept seit dem zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten ist und in Diskussionen in eine Ecke geschoben wird, die dem eigentlich nicht gerecht wird. Das war der Ausgangspunkt für den Film, dass ich gesagt habe okay, da gibt es viele Missverständnisse mit denen man aufräumen kann, es gibt ja auch eine lebendige anarchistische Szene. Ziel des Films war also einmal zu schauen, was denn auf der einen Seite heute noch da ist und auf der anderen Seite einen Film zu machen, der in die anarchistische Theorie einführt. Der Co-Regisseur ist Marcel, er ist in einem Projekt des Mietshäusersyndikats aktiv und gemeinsam haben wir das dann entwickelt.
Also seit ihr zwei quasi die Basis?
Genau, wir zwei sind die Basis und dann gab es einen Haufen Leute die damit assoziiert sind, die in Spanien mit dabei waren. In Griechenland haben wir einen Freund mitgenommen, der ein Jahr lang dort gelebt und viele Kontakte hat. Peter Seyferth, der sich viel mit Anarchismustheorie auseinander gesetzt hat und uns im Hintergrund etwas beraten hat oder Frank Müller, der Cutter der auch ein Alt-Anarchist ist. Es gibt ein großes Feld an Menschen, die auf die ein oder andere Art an dem Projekt mitwirken.
Ihr hattet also zu zweit diese Idee, wie seit ihr dann weiter vorgegangen? Die anarchistische Bewegung in Europa ist ja sehr vielschichtig und zahlreich. Seit ihr da einfach auf gut Glück mal losgefahren? Wie habt ihr euch da vorher das Konzept überlegt, welche Projekte wolltet ihr besuchen, wie lief da die Auswahl?
Am Anfang war Horst Stowasser wirklich sehr in dieses Projekt eingebunden, hatte natürlich ein großes Netzwerk und stellte dann zum Beispiel einen Kontakt nach Spanien her. Klar, an Barcelona oder Katalonien kommt man bei dem Thema einfach nicht vorbei und als wir da unten waren führte immer eins zum anderen. Dann ist Stowasser 2009 leider verstorben, das war irgendwie schon ein Break für uns, an dem wir uns dann überlegt haben, was wollen wir eigentlich, wie erzählen wir das weiter und dann kam es auch so, dass wir uns haben leiten lassen. Zu dem Zeitpunkt war Griechenland sehr aktuell, die ganze Szene hat nach Athen geblickt, es war schon fast ein Mythos, die neue anarchistische Szene. Wir sind dann auch runter gefahren und haben Leute kennen gelernt, so hat auch dort irgendwie eins zum nächsten geführt. In Griechenland ist es dieses empört sein, dieses durch die Missstände auf die Straße gehen, Leute die das Gefühl haben sie wollen etwas machen und aus der Notwendigkeit des repressiven Systems zu schauen, was kann man an Alternativen aufbauen. In Spanien war es dann so, dass wir auch den historischen Aspekt hatten, es gibt dort eine ganz lustige Truppe von Leuten, die anarchistische Stadtführungen machen und wir haben überlegt, okay wie kannst du diesen historischen Teil filmisch da auch irgendwie einbetten, ohne dass es nur Archivmaterial wird und nur alte Männer über die glorreiche Zeit des spanischen Bürgerkriegs sprechen. Dann haben wir Mariano getroffen, der im Film vorkommt, den man im Trailer sieht und der auch diese Führungen macht. Wir sind dann im Reisebus durch Barcelona an historischen Plätzen vorbeigefahren, wo er uns etwas dazu erzählt hat und haben dann auch in Spanien nach Kollektiven gesucht, weil der anarchosyndikalistische Gedanke natürlich schon ein spannender Aspekt ist. So wie damals ist es sowieso nicht mehr, aber wir haben dann gedacht, dass es noch Kollektive gibt, die das weitergeführt haben, mussten dann aber feststellen, dass der Franco Faschismus in Spanien wahnsinnig viel kaputt gemacht hat und es etwas wie eine Fabrik die wirklich anarchosyndikalistisch oder kollektiv organisiert ist dann doch nicht mehr gibt. Wir sind dann durch die Recherche vor Ort auf die CIC gestoßen, wo es eigentlich so wie immer gelaufen ist: man fährt hin, trifft Leute und dann kristallisiert sich raus, was man spannend findet und was nicht. Es war dann dieser Kollektivgedanke, wo wir auch gemerkt haben, dass das Projekt auch noch in den Kinderschuhen steckt, wobei der Ansatz der CIC spannend ist, weil sie eine wirklich große Vision haben, die jetzt aus dem partiellen Widerstand oder einzelnen kollektiven Projekten in eine Richtung geht, wo das gesamte Leben auf einer Netzwerkebene kollektiv gestaltet werden kann. In Deutschland haben wir relativ früh Hanna Poddig kennengelernt und es war schon der Gedanke, dass man sich in den einzelnen Ländern unterschiedliche Aspekte heraus nimmt. Bei Hanna ist es vor allem der Anti-Atom Kampf den sie sich auf die Fahne geschrieben hat, wo man aber auch ganz schön sehen kann, wie sich über längere Zeit Mechanismen und Werkzeuge herausgebildet haben, wie du effektiv gegen Missstände vorgehen kannst. So sind wir dann auch letztendlich zum Kartoffelkombinat gekommen, weil wir uns umgeschaut haben, was gibt es in Deutschland für Kollektive und Betriebe die nicht nur im kleinen Kreis innerhalb der Szene funktionieren, sondern was für Ansätze es gibt, die man auch auf ein größeres gesellschaftliches Modell übertragen könnte. Das Kartoffelkombinat zum Beispiel ist nicht explizit anarchistisch, aber ich finde es sind sehr viele Gedanken oder Ansätze darin, die sich letztendlich auf anarchistische Grundprinzipien berufen.
In eurem Film setzt ihr nach anarchistisch auch ein Sternchen, anarchistisch ist ja erst einmal auch nur ein Label, jeder und alles kann sich anarchistisch schimpfen und es gibt sehr viele Diskussionen darum, was denn jetzt nun anarchistisch ist und was nicht, oft auch inner-anarchistische Konflikte. Was waren da eure Kriterien? Seit ihr auch auf Projekte gestoßen die ihr interessant fandet, wo ihr aber irgendwann gemerkt habt, das geht nur bis zu einem gewissen Grad? Wie waren da die Diskussionen unter euch?
Wir sind da recht intuitiv herangegangen und haben uns unterschiedliche Projekte angesehen, dann aber immer relativ schnell gemerkt, okay tritt das denn auch mit uns in Resonanz und was ist es denn, was wir daraus ziehen können. So kommt dann auch das Sternchen zustande, wie zum Beispiel beim Kartoffelkombinat, die sich selbst nicht anarchistisch nennen, aber die in gewisser Weise denke ich viel anarchistischer sind als einige Projekte, die sich so bezeichnen. Es geht auch darum, dass man sich nicht so dieses Label aufdrückt, sondern die Grundgedanken wieder mehr in die Diskussion zu bringen und zu schauen, was funktioniert und was funktioniert nicht, ob sich das dann anarchistisch nennt oder nicht, ist letztendlich nicht entscheidend. Dann gab es aber auch Projekte, zu denen wir gegangen sind und wo wir gemerkt haben, es funktioniert nicht, aber das war oftmals dann auch beiderseitig so. Also man muss auch ganz klar sagen, wir sind als wir 2008 angefangen haben den klassischen Weg der Filmförderung gegangen, weil es uns auch wichtig ist, einen Film zu machen, der nicht nur für die Szene funktioniert, sondern auch für ein breiteres Publikum. Wir haben letztlich dann auch Filmförderung bekommen, zwar nicht wahnsinnig viel, aber was eben bedeutet, dass jetzt auch erst einmal eine klassische Kinoauswertung angestrebt ist. Das heißt in dem Moment aber auch, dass es nicht sofort copyleft ist, also, dass wir den Film nicht von Anfang an frei zu Verfügung stellen können, sondern es erst einmal etwa ein halbes Jahr lang eine Kinoauswertung geben wird und wir danach den Film frei zu Verfügung stellen können. Da gab es dann aber auch Projekte, die gesagt haben, nein, dann arbeiten wir nicht mit, weil es muss von Anfang an jede*r mit dem Material machen können, was er*sie will, aber Marcel und ich, wir machen halt irgendwie Film und wir wollen davon auch Leben können und dann muss man sich auch auf gewisse Sachen einlassen können. Letztendlich finde ich es dann auch wichtiger viele Leute zu erreichen und wenn das dann heißt, dass es dann eben das erste halbe Jahr nicht frei im Internet zur Verfügung stehen kann, aber es danach zur Verfügung steht, dann ist das für mich entscheidender.
Wie waren denn die Dreharbeiten konkret? Ihr wart ja auch in Saint Imier, wo es ja wirklich ein massives Presseinteresse gab, was ja dann auch dazu geführt hat, dass Leute von drei Seite mit Kameras belagert wurden und allgemein gelten Anarchist*innen ja oft nicht so als zeigefreudig, gerade wenn es um das eigene Gesicht in einer Dimension geht, die über lokale Projekte hinaus geht. Seit ihr da oft auf Widerstand gestoßen? Gab es Leute, die nicht mit euch reden wollten, zumindest nicht in einer so direkten Kamerasituation? Wie war da das Feedback?
Das gab es auf jeden Fall, wir haben da immer alles erlebt von totaler Ablehnung bis zu totaler Offenheit, in Griechenland ist das extrem, was aber auch mit schlechten Erfahrung zusammenhängt, die in der Bewegung mit Medien gemacht wurde. Es gab da eine Situation, wo sie uns die Kamera fast aus den Händen geschlagen hätten oder Marcel einmal auch mit einem Stein beworfen wurde. Es war natürlich auch so, geschuldet der Situation, dass es einige Leute gab, die gesagt haben, sie wollen nicht mit ihrem Gesicht auftauchen, oder, dass wir gewisse Sachen auch nicht drehen konnten – wir konnten zum Beispiel keine Plenas filmen, was ich sehr schade finde, da das ja ein wichtiger Aspekt in der Bewegung ist. Dem haben wir uns dann irgendwie angepasst und in Griechenland war es dann auch wirklich so, dass eine Freundschaft zu den Leuten entstanden ist und dann muss man sich eben darauf einstellen und nach Wegen suchen, wie man damit umgehen kann, also, dass die Leute geschützt sind und die Dinge die wir erzählenswert finden, trotzdem irgendwie erzählt werden. Aber es gab auch Situationen, wo wir uns ein Projekt rausgesucht hatten, dort auch gerne gedreht hätten, was aber letztlich nicht zustande kam. Es ist aber schon ein ambivalentes Thema, weil ich teilweise auch irgendwie das Gefühl habe, dass da ein gutes Stück Paranoia vorhanden ist. Es gibt Situation, wo das wirklich gerechtfertigt ist, aber andere Situationen, wo es eher ein Dogma ist, dass man gegen Kameras ist und ich würde mir da wünschen, dass man das eher als eine Chance sieht. Da gehört aber Vertrauen dazu und ich glaube wir kommen damit auch irgendwo aus unserer Nische raus, wenn man eine Offenheit ausstrahlt. Das war etwas, was ich sehr an Stowasser geschätzt habe, dass er wirklich sehr offen war und dem nach außen auch ein Gesicht gegeben hat. In der CIC ist das auch so. Es ist noch ein Interview mit Enric Duran geplant, mit dem wir auch im Austausch sind und das ist jemand, der im Untergrund lebt. Trotzdem ist ihm auch wirklich bewusst, was für eine Strahlwirkung so ein Projekt hat und wie wichtig es ist, diese Ideen nach außen zu tragen, deshalb lässt er sich dann auch darauf ein.
Da würde ich direkt mal nachhaken, Enric Duran ist ja auch eine sehr schillernde Figur, beziehungsweise das, was er gemacht hat. Willst du uns dazu vielleicht auch noch etwas erzählen? Wie ist das der Kontakt entstanden? Im Telefonbuch dürfte er ja jetzt nicht gerade auftauchen.
Wir waren in Spanien und sind dort auf die CIC aufmerksam geworden, die Cooperativa Integral Catalana, die Enric Duran mitgegründet hat und da kamen wir dann recht schnell zu dem Punkt, dass es spannend wäre, mit ihm in Kontakt zu treten. Wir kennen einen Haufen Leute, die mit ihm zu tun haben, aber letztendlich kann man ihn auch anschreiben: Er beziehungsweise. die CIC haben eine Seite, da schreibst du hin und dann meldet er sich auch. Also das ist, was er auch macht, um die Ideen zu verbreiten. Er hat schon eine ziemlich mediale Aufmerksamkeit und ich finde das was er tut wahnsinnig konsequent, also zu sagen „Ich beklaue die Banken um eine halbe Million Euro und stecke sie einfach in autonome, solidarische und nicht kommerzielle Projekte und opfere letztendlich dafür meine persönliche Freiheit“.
Er hat ja die Banken nicht klassisch beklaut, wie man sich das in alter expropriatorischer Tradition vorstellt. Kannst du uns dazu noch etwas erzählen?
Die Aktion hat letztendlich zwei Ansätze, also auf der einen Seite zu sagen man kommt irgendwie an Geld, das man in Projekte reinsteckt, wo man auch sagen kann die Projekte sind im öffentlichen Interesse und das Geld sollte der Öffentlichkeit zu Verfügung stehen. Das Geld das bei den Banken rumliegt, gehört wohl mehr uns, als es den Banken gehört. Zweitens aber auch, um aufzuzeigen, wie perfide dieses Banksystem ist und wie einfach es ist an Geld zu kommen und wie es im Interesse der Banken ist, Kredite zu vergeben, bei denen auch klar ist, dass diese nicht funktionieren, weil es in deren Interesse ist, dass sie die Zinsen und Zinseszinsen einfahren. Er hat da mit mehreren Projekten bei unterschiedlichen Banken Geld geliehen und dann gesagt, er wird es nicht zurückzahlen. Deswegen wurde er von Interpol gesucht, hat sich dann aber auch gestellt und es gab eine Gerichtsverhandlung, bei welcher dann aber recht schnell klar war, dass das worum es ihm geht und die Nachricht die er nach außen tragen wollte nicht gehört wurde. Er merkte, dass es keinen Sinn macht sich zu stellen und ist dann in den Untergang gegangen, was jetzt fast drei Jahre her ist.
Du sagtest, ihr arbeitet seit 4 Jahren an dem Projekt, ihr seit viel herum gekommen, habt viele Projekte und Menschen kennengelernt. So etwas prägt ja sicherlich auch. Was habt ihr da für euch rausgezogen? Hat sich dabei eure Sicht auf den Anarchismus verändert? Etwas für euch selbst verändert? Oder ist es, ganz polemisch gesagt einfach ein Filmprojekt, was jetzt dem Ende entgegen geht?
Ja, eigentlich sind es 6 Jahre in denen wir uns mit dem Projekt beschäftigen, ich rede mir das immer schön. Das ist bei mir und denke auch bei Marcel so, dass die Projekte die wir machen aus einer ganz persönlichen Motivation heraus entstehen. Es ist nicht der Gedanke, dass man jetzt einen Film macht, weil er sich verkaufen könnte, sondern weil es einen thematisch interessiert. Ich habe mich halt lange Zeit mit Gemeinschaft auseinander gesetzt, wir haben öfters in einer Gemeinschaft gelebt, man versucht etwas autarkes aufzubauen und macht sich dann in gewisser Weise unabhängig. Das war aber bei auch der Punkt, wo ich gemerkt habe, es reicht nicht, sich mit sich selbst zu beschäftigen und die politische Arbeit wurde auch bei mir irgendwie wieder aktuell und an dem Punkt habe ich gemerkt, dass ich Lust habe mich selbst wieder mit Anarchismus auseinander zu setzen und sich zu überlegen, wie kann man sein Umfeld nachhaltig verändern. Da denke ich auch immer noch, dass im Anarchismus auch ganz viele Ansätze drin sind, die sehr gut funktionieren und hilfreich sind. Für uns ist es auch wie eine Bildungsreise gewesen, dabei herauszufinden, wie machen das andere Leute und was kann ich da für mich persönlich rausziehen. Mich persönlich hat das auf jeden Fall auf einer Organisationsebene extrem weiter gebracht, also auch die Fragen, wie geht man mit Gruppen um, wie schaut man, dass eine Hierarchiefreiheit auf der einen Seite gegeben ist und man auf der anderen Seite die Ausstrahlungskraft nach außen hin verändert kann. Wenn man eher aus einem Gemeinschafts- oder Hippie-Bereich kommt, dreht sich vieles um die eigene Verwirklichung oder um die Gruppe, aber die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft als Frage der Radikalität findet oft nicht so und vor allem nicht so konfrontativ statt. Das hat mir Griechenland auch irgendwie gezeigt, also dass es zum Teil eine Radikalität braucht und dass wir uns hier oft das Repressive des Systems schön reden, da hat es unsere Regierung irgendwo geschafft solche Bewegungen zu vereinnahmen. Ich glaube, wenn man etwas verändern will, dann braucht es radikale Gedanken und das finde ich ist das Schöne am Anarchismus, dass halt nicht nur ein einzelner Aspekt angekreidet und zu verändern versucht wird, sondern dass das System an sich in Frage gestellt wird. Bei eigentlich allen unseren Protagonisten finde ich diesen Punkt so bewundernswert, das ist auch bei Hanna so, die jetzt zwar konkret gegen Atomtransporte etwas unternimmt, aber das immer im Kontext wie das System an sich funktioniert. Das ist etwas, was ich für mich da herausgezogen habe und dann waren da aber auch so Geschichten wie das CIC oder das Kartoffelkombinat als durchaus inspirierende Beispiele. Ich glaube auch von Marcel kann ich das sagen, wo wir für uns persönlich auch so Anstöße bekommen haben, zu schauen, okay, wie läuft das bei uns im Umfeld ab und wie können wir diese Ansätze integrieren.
Letztendlich fände ich es total schön, wenn der Film es schaffen würde, dass er eine Diskussion bei den Leuten anstößt oder sie dazu bringt, zu schauen, was für Strukturen habe ich, in denen ich mich bewege und was für Möglichkeiten gibt es, diese ganz konkret zu verändern. Wir müssen ja nicht immer wieder ganz von vorne anfangen, sondern letztlich sind alle Projekte die wir uns angeschaut haben wie Blaupausen, wo man sagen kann, da haben Leute etwas gemacht und dieses System kann man auf die eigenen Verhältnisse übertragen und fängt nicht wieder bei Null an. Es gab natürlich auch viele Momente der Frustration und manchmal ist man dann ein wenig genervt und denkt sich, wo soll das hinführen und drehen wir uns nicht ständig im Kreis, aber ich würde schon sagen, dass wir mit mehr Ideen aus diesen Jahren herausgehen, als dass wir desillusioniert werden.
Die Dreharbeiten sind ja jetzt schon länger beendet, aber ihr habt jetzt eine Startnext Kampagne, eben um den weiteren Produktionsprozess zu finanzieren. Wie geht das denn jetzt weiter? Wann denkt ihr, wird der Film fertig?
Naja, wir drehen eigentlich ständig noch weiter. Unserem Cutter fällt dann noch ein, so das bräuchte man noch und wir sitzen dann am Schnitt und denken uns, ja aber hier das fehlt irgendwie auch noch. Wenn jetzt alles glatt läuft, dann sind wir im Dezember mit dem Schnitt durch und mit dem weiteren Produktionsgang, also Farbkorrektur, Sounddesign, Untertitelung und Animation dauert es dann auch noch ein wenig, aber bis Anfang des Jahres, so in etwa Februar sollte der Film eigentlich fertig sein. Dafür haben wir auch diese Crowdfunding Kampagne angestoßen, weil uns irgendwann zwischen drin schon das Geld ausgegangen ist und Filmproduktion leider auch Geld kostet. Ganz viel haben Leute auch einfach so gemacht, sowohl bei Übersetzungen, als auch Leute die uns vor Ort unterstützt haben, als auch Leute wie Frank, der schneidet und zum Teil seine Arbeit unentgeltlich zu Verfügung gestellt hat, aber es braucht jetzt einfach mindestens diese 8000€ auf jeden Fall noch, um den Film auf das Niveau zu bringen, auf den wir ihn eigentlich gerne hätten.
Wenn der Film fertig ist, wie ist dann der Veröffentlichungsprozess geplant? Du hast ja am Anfang gesagt, es wird erst einmal eine Kinoauswertung geben. Vor ein paar Jahren gab es ein zwar nicht direkt vergleichbares Projekt, aber mit „Noise and Resistance“ ja auch einen Film über die DIY Bewegung in Europa, der dann auch durch verschiedene Städte gezogen ist. Habt ihr da auch so etwas geplant? Wenn ja, wollt ihr euch da auf den deutschsprachigen Raum beschränken oder sind dann auch Vorführungen an den Orten geplant, an denen ihr gedreht habt?
Also wir gehen da erst einmal den klassischen Weg: Wenn der Film fertig ist, wollen wir ihn bei Filmfestivals einreichen, dann ist eine Kinoauswertung angestrebt, wobei es dafür noch keinen Verleiher gibt, da muss man sehen wie die Resonanz auf den fertigen Film ist. Was aber auf jeden Fall geplant ist, ist eine Tour mit dem Film durch Deutschland, Griechenland und Spanien, da natürlich unsere Protagonisten auch ziemlich gespannt sind, alleine dort gibt es bereits genug Plätze wo man den Film zeigen könnte. Das ist auch das Schöne am Filme machen, wenn man dann mit dem fertigen Film auch unterwegs ist und mit den Leuten ins Gespräch kommt. Und dann wird es den Film später natürlich auch einfach so im Internet oder als DVD geben.
Das klingt doch spannend! Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg beim weiteren Fertigstellen.
Danke!
Weitere Infos:
- Homepage des Filmprojekts
- Projekt A auf Startnext (Die Crowdfunding-Kampagne läuft noch bis zum 14. Dezember)
Das Interview führte Carlo L. Negro (Transkription pavo) und ist im Original aus der Gǎi Dào Nr. 48